Sport trotz Pollenallergie – Experteninterview mit Univ.-Prof. Dr. med. Carl-Peter Bauer

Sport trotz Pollenallergie – Experteninterview mit Univ.-Prof. Dr. med. Carl-Peter Bauer

Zuletzt aktualisiert:

Zur Person

Univ.-Prof. Dr. med. Carl-Peter Bauer ist ein international renommierter Allergologe. Seit 1989 leitet er als Ärztlicher Direktor die Fachklinik Gaißach. Prof. Bauer hat zudem eine Stiftungsprofessur für „Kinder-Rehabilitation“ (Schwerpunkt: Pneumologie, Allergologie und Umweltmedizin) der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd an der Kinderklinik der Technischen Universität München (TUM ) inne. Als Leiter der GINI-Studie beschäftigt er sich mit der „Prävention und Rehabilitation von allergischen und pneumologischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen“.

Die warmen Temperaturen ziehen viele Menschen hinaus ins Freie. Sport, Bewegung und Freizeitaktivitäten tun Körper und Geist gut. Pollenallergiker sind durch Niesen, Augenjucken oder eine verstopfte Nase bei solchen Aktivitäten sehr beeinträchtigt, sollten sich aber dennoch draußen bewegen. Einige Punkte müssen dabei beachtet werden. Das nachfolgende Interview mit Univ.-Prof. Dr. med. Carl-Peter Bauer beantwortet Fragen zum Thema und gibt Tipps zum richtigen Verhalten.

allergie.de: Der Frühling steht vor der Tür und viele Menschen zieht es hinaus ins Freie. Sportliche Aktive bewegen sich nun vermehrt draußen und weniger in Turnhallen – und langsam beginnen auch die Pollen wieder zu fliegen. Auf was müssen Pollenallergiker in dieser Jahreszeit besonders achten, wenn sie sich – nach der Winterpause – wieder vermehrt draußen bewegen?

Prof. Dr. Bauer: Ein diagnostizierter und entsprechend informierter Pollenallergiker wird wissen, welche Pollen ihm schaden und welche nicht. Generell gilt: Vorbereitung ist alles. Dazu gehört auch der regelmäßige Besuch beim Facharzt, insbesondere vor dem Start der Pollensaison. Darüber hinaus lässt sich mit einer guten Pollen-App mittlerweile sehr gut die individuelle Pollenbelastung am eigenen Wohnort vorhersagen, oft auch für mehrere Tage im Voraus. Wer dann beispielsweise in der App sieht, dass in seiner Umgebung verstärkt persönlich belastende Pollen fliegen, sollte sich für diese Zeit entsprechend darauf einstellen. Zur Vorbeugung kann beispielsweise – nach Rücksprache mit dem betreuenden Arzt – ein Medikament, z.B. Antihistaminikum, eingenommen werden.

allergie.de: Welche Außen-Sportarten (Freizeitsport) eignen sich gut, welche weniger gut für Pollenallergiker und warum?

Prof. Dr. Bauer: Pollenallergiker können im Prinzip alle Sportarten betreiben. Ausdauersportarten wie Wandern, Joggen, Radfahren oder auch Schwimmen, zum Beispiel im See oder Meer, sind besonders gut geeignet, da hier der Körper und die Atemwege gleichmäßig und individuell angepasst belastet werden können. Natürlich sollte man dabei nicht unbedingt die Exposition suchen, also z.B. eine Radtour durch blühende Wiesen und Getreidefelder unternehmen. Klettern und Bergsteigen sind ebenfalls kein Problem, da in den höheren Lagen keine Pollen fliegen. Sind extremere Belastungen geplant, sollte unbedingt vorher der Arzt konsultiert werden.

allergie.de: Durch welche konkreten Maßnahmen können Pollenallergiker den Kontakt zu Pollen bei Bewegungsaktivitäten im Freien verhindern bzw. vermindern? Wie kann effektiv einer zu starken Pollenbelastung vorgebeugt werden?

Prof. Dr. Bauer: Ganz vermeiden oder gar verhindern lässt sich der Kontakt mit Pollen natürlich nicht. Da jeder Allergiker individuell reagiert, muss der einzelne die Flugzeiten „seiner“ Pollen und die Stärke des Pollenflugs beim Sport im Freien beachten und sich entsprechend verhalten. Wenn es dann trotz vorbeugender Maßnahmen zu Beschwerden kommt, muss der Patient dann halt mal ein oder zwei Tage auf Sport im Freien verzichten. Um bei stärker betroffenen Pollenallergikern die allergische Situation langfristig in den Griff zu bekommen, sollte eine Hyposensibilisierung durchgeführt werden. Dadurch sinkt auch das Risiko für die Entstehung eines allergischen Asthmas.

allergie.de: Gibt es praktische Verhaltenstipps, wie man sich vor herumfliegenden Pollen schützen kann?

Prof. Dr. Bauer: Ideal ist es, wenn man seinen täglichen Jogginglauf in einem Nadelwald einplanen kann, da dort weitaus weniger Pollen in der Luft fliegen als beispielsweise an Waldrändern oder Wiesen. Auch nach einem ordentlichen Regenguss ist die Luft von Pollen zunächst einmal „gereinigt“ und eine Joggingrunde bietet sich an. Das Tragen einer Brille kann verhindern, dass Pollen in die Augen kommen. Nach sportlicher Betätigung im Freien sollte geduscht und der Körper sowie die Haare gründlich von Pollen befreit werden.

allergie.de: Ist etwas Besonderes bei der Medikation zu beachten, wenn Sport im Freien betrieben wird?

Prof. Dr. Bauer: Das Mitführen eines Notfallsets kann für stärker betroffene Allergiker, zum Beispiel bei einem pollenabhängigen Asthma, wichtig sein, damit im Notfall schnell reagiert werden kann.

allergie.de: Gerade, wenn es draußen wärmer wird, verhalten sich Kinder und Jugendliche oft unbedacht und wollen – zum Beispiel in Pausen –  ungehindert im Freien toben. Welche Tipps geben Sie Eltern, Erziehern und Lehrern für den Fall, dass diese Kinder und Jugendlichen an einer Pollenallergie leiden?

Prof. Dr. Bauer: Kinder und Jugendliche mit einer Pollenallergie dürfen in ihrem Bewegungsdrang nicht eingeengt werden. Das sollten Eltern, Lehrkräfte und Trainer wissen. Gerade bei diesen Kindern und Jugendlichen ist es wichtig, dass sie geschützt sind. Und zwar rechtzeitig. Eine vorbeugende Therapie muss mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden. Dieser verschreibt dann zum Beispiel ein nicht müde machendes Antihistaminikum für 14 Tage, also für die Zeit, in der die individuell belastenden Pollen fliegen. Bei extremem Pollenflug sollte allerdings auf Anstrengung verzichtet werden. Leiden Kinder oder Jugendliche unter einer schweren Pollenallergie muss frühzeitig eine Hyposensibilisierung erfolgen. Oft reagieren Eltern da zu spät.

Vielen Dank für das Gespräch!