Ernährung sportlich aktiver Pollenallergiker – Experteninterview mit Dr. med. Matthias Herbst

Ernährung sportlich aktiver Pollenallergiker – Experteninterview mit Dr. med. Matthias Herbst

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Zur Person

Dr. med. Matthias Herbst ist Facharzt für Dermatologie, Venerologie, Allergologie, Umwelt- und Sportmedizin mit eigener Praxis in Darmstadt. Er ist Mitglied zahlreicher nationaler und internationaler Fachverbände und Organisationen.

Im Frühling zieht es viele Menschen hinaus ins Freie. Pollenallergiker müssen in dieser Zeit besonders aufpassen und dürfen sich nicht unnötig gesundheitlichen Risiken aussetzen, sei es beim Joggen oder Wochenendausflug mit der Familie. Die Redaktion von allergie.de wollte wissen, inwieweit sportlich aktive Pollenallergiker auf ihre Ernährung achten müssen und befragte dazu Dr. med. Matthias Herbst, niedergelassener Facharzt für Dermatologie, Venerologie, Allergologie, Umwelt- und Sportmedizin, aus Darmstadt.

allergie.de: Was sollten diagnostizierte Pollenallergiker in puncto Ernährung beachten, wenn sie regelmäßig sportlich aktiv sind?

Dr. Matthias Herbst: Bei einer Pollenallergie gibt es ja symptomfreie und symptomarme Phasen. Während der eine auf Frühblüher reagiert, tut es der andere auf Hafer oder Roggen. Je nach individueller Befindlichkeit kann und sollte jeder Pollenallergiker Sport mit entsprechender Belastung betreiben. Mit Blick auf Kreuzallergien muss er nur auf eine entsprechende Ernährung achten und diejenigen Lebensmittel weglassen, die bei ihm Symptome auslösen. Zum Beispiel sollte ein Birkenpollenallergiker Äpfel von seinem Ernährungsplan streichen oder diese nur in gekochter Form als Brei zu sich nehmen. Im gekochten Zustand werden die allergenhaltigen Strukturen der Frucht zerstört und stellen keine Gefahr mehr für den menschlichen Organismus dar.
Wichtig ist meines Erachtens eine Hyposensibilisierung, die entweder während oder nach der Pollensaison durchgeführt wird. Ich bevorzuge bei meinen Patienten die postsaisonale Hyposensibilisierungstherapie, da bei dieser Variante der Organismus nicht mit einer doppelten Allergenbelastung fertig werden muss. So gerüstet können sich junge wie ältere Pollenallergiker ohne größere Probleme im Freien bewegen und sich ohne große Einschränkungen bewusst und gesund ernähren. Unabhängig davon sollten Asthmapatienten unbedingt einen Lungenfacharzt bzw. asthmakranke Kinder einen Kinderpneumologen aufsuchen, bevor sie sportlich tätig werden.

allergie.de: Gibt es zur Hyposensibilisierung neue wissenschaftliche Erkenntnisse? Wie wirksam ist diese Therapie?

Dr. Matthias Herbst: 70% der Behandelten ist nach drei Jahren symptomfrei. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese Therapie durchzuführen, subkutan oder oral, neuerdings auch sublingual. Die Effizienz dieser Therapieformen wird gerade wissenschaftlich getestet. Alles in allem ist eine Neubewertung der Hyposensibilisierung im Gange, man muss sehen, was dabei rauskommt.

allergie.de: Gibt es die geeignete Ernährung für sportlich aktive Pollenallergiker?

Dr. Matthias Herbst: Nein, dazu sind Pollenallergien zu heterogen, also verschieden. Die Frage ist: Inwieweit ist der Patient ausdiagnostiziert. Im Zuge einer speziellen Diät (Auslassdiät), die meist in der Klinik durchgeführt wird, kann ganz genau festgestellt werden, gegen was der Einzelne allergisch ist. Zusätzlich zu dieser Maßnahme werden die Antikörper (IgE-Antikörper) im Blut bestimmt. Am Ende der Diagnostik weiß man, welche Allergene (z.B. gegen Äpfel, Birne, Krustentiere) vorliegen und kann den Patienten entsprechend ernährungsfachlich beraten.

allergie.de: Können allergische Reaktionen in Verbindung mit speziellen Lebensmitteln und sportlicher Aktivität auftreten? Falls ja, wie sehen diese aus bzw. wie kommt es dazu?

Dr. Matthias Herbst: Es gibt die sogenannte Food-Dependent-Exercise Anaphylaxis, abgekürzt FDEIA. Sie kommt selten vor und kann dann auftreten, wenn ein Individuum unmittelbar nach Konsum eines speziellen Lebensmittels körperlich aktiv ist. Durch die vermehrte Anstrengung und Belastung und damit verbundene verstärkte Atmung kann es bis zu sechs Stunden später zu schweren allergischen Reaktionen wie Urtikaria, Angioödemen, Atemnot und gastrointestinalen Problemen bis hin zum Schock kommen. Meist sind es Krustentiere und Weizenmehl, auf die die Betroffenen reagieren. Ganz wichtig ist es, das jeweilige Lebensmittel zu identifizieren, das die Probleme macht. Der Arzt muss dazu neben einem persönlichen Gespräch mit dem Patienten verschiedene Hauttests durchführen. Wenn das allergieauslösende Lebensmittel erkannt ist, bekommt der Patient vom Arzt ein Notfallset mit verschiedenen Medikamenten, meist sind es Antihistaminika und Kortikosteroide. Dieses Notfallset sollte der Betroffene immer mit sich führen, um im Ernstfall schnell reagieren zu können. Abgesehen davon sollte unmittelbare Anstrengung nach Konsum dieses Lebensmittels künftig vermieden werden.

allergie.de: Haben Sie spezielle Ernährungstipps für sportlich aktive Kinder und Jugendliche mit einer Pollenallergie?

Dr. Matthias Herbst: Wenn die diagnostischen Tests gelaufen sind und Kreuzallergene bekannt sind, sollten sich betroffene Kinder und Jugendliche entsprechend angepasst ernähren. Gekocht geht eigentlich alles, statt rohen Pflaumen gibt es dann eben Pflaumenkompott.

allergie.de: Worauf sollten Kindergärten und Schulen beim Verpflegungsangebot achten?

Dr. Matthias Herbst: Zu empfehlen ist generell eine ausgewogene Ernährung, die möglichst frei von Konservierungsstoffen und Histamin ist. Tiefkühlkost sollte nach Möglichkeit nicht auf den Tisch kommen. Ganz wichtig ist die Schulung der Lehrer und Aufsichtskräfte. Neben einer Notfallapotheke sollte eine Notfallunterweisung selbstverständlich sein. Wenn ein Kind z.B. zwei Stunden nach Trinken eines Milchgetränks Blähungen und Durchfall hat, muss das aufmerksam registriert und entsprechend behandelt bzw. vorgebeugt werden.

Vielen Dank für das Gespräch!